Auf der Suche: Zur Situation des deutschsprachigen Transgender-Webs
Laura, August 2004
Anfänge
1998 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, im Internet nach Transgender-Themen zu suchen. Bis zu dieser Zeit hatte ich noch kaum Informationen dazu finden können; die Ausbeute der mühseligen Suche nach Büchern aus der Stadtbibliothek meiner heimatlichen Kleinstadt, Zeitschriftenartikeln und Kontaktsuchen war dürftig. Erwartungsvoll tippte ich nun »Transvestit« in das Eingabefeld der Suchmaschine Altavista (googeln war noch nicht) und bekam eine große Menge an Treffern. Viele private Homepages fand ich da, überwiegend bei GeoCities. Am Aufbau und an der Gestaltung der Seiten war nicht zu übersehen, dass sich das WWW in den Kinderschuhen befand.
Jahre später
Heute, im Jahr 2004, hat das World Wide Web ein anderes Stadium erreicht. Das Internet ist Bestandteil unseres Alltags geworden, und es hat sich inhaltlich und technisch weiter entwickelt. Was passiert, wenn ich heute nach Transgender-Informationen suche, wenn ich Google mit den entsprechenden Begriffen füttere?
Das Ergebnis enttäuscht und verärgert:
- Über-auffällig sind endlos viele pornographische Seiten, die mittels Linkfarmen geschickt Googles Ranking ausnutzen (zu diesen »Link-Farmen« siehe z. B. c't Heft 20/2003, S. 88–91). Wen wundern da noch Vorurteile?
- Mit der gleichen Masche arbeiten ebay oder Amazon und andere Internet-Händler, um ihre Waren unters Volk zu bringen: Angebliche Treffer entpuppen sich nach der x-ten Weiterleitung als Angebot für Bücher (bestenfalls), Zwielichtiges (schlechtestenfalls) oder andere verkäufliche Dinge.
- Zahllose private Homepages sehen noch fast genau so aus wie in den Kindertagen des Web, nur gibt es die Konzentration auf GeoCities nicht mehr. Aber das stümperhaft umgesetzte Hallo-da-bin-ich-schaut-mal-meine-Bilder-an-Profil macht keine Freude. Blinken muss es, möglichst bunt, dazu die Ergüsse des Selbstauslösers. Ein Konzept, CSS vielleicht, gar ein Content Management System – nie gehört. Über veraltete Inhalte oder unrechte Schreibweisen beschwere ich mich schon gar nicht mehr. Nichts gegen die Freiheit, so zu schreiben, wie es einem beliebt. Aber wenn das Lesen ob der Entzifferung der Worte auf der Strecke bleibt …
- Einige wenige private Seiten haben meines Erachtens einen politischen oder ideologischen »Treffer« weg oder verbreiten ein (mir) unangenehmes, stereotypes Bild von Transgender. Sie sind an ihrer Aufdringlichkeit und Einseitigkeit der Thesen aber meist leicht zu erkennen.
- Vereinzelt existieren Webseiten, die ungefragt Texte zusammengetragen haben, aber keinerlei Mühe für Strukturierung, Aufbereitung oder Layout erkennen lassen. Abgesehen von urheberrechtlichen Bedenken findet man hier manchmal Informationen, aber Lesen soll doch nicht quälen!
- Portale sind eine tolle Sache, bieten sie doch aktuelle redaktionelle Inhalte, umfangreiche Informationen und einen strukturierten Zugang. Soweit die Theorie. Ich vergaß: Portale machen Arbeit. Die Transgender-Portale, die ich kenne, sind nun leider entweder völlig chaotisch und lassen seit Jahren keine echten Fortschritte erkennen, oder man merkt ihnen an, dass sie mit den Mühen der Redaktion überlastet sind.
- Einige wenige kommerzielle Anbieter dominieren die Bereiche, in denen sich an Transgender Geld verdienen lässt, häufig mit einem ganzen Bündel an Domains. Ok, hier erwarte ich keine Informationen, dann sollen die Namen dies aber bitte auch nicht suggerieren.
- Seiten von Selbsthilfegruppen schwanken mitunter zwischen knochentrocken und weinerlich, und nirgendwo sind die Informationen »straighter« als hier. Was man über die Dynamik von SHGs mitbekommen hat, bestätigt sich. Immerhin findet man manchmal Antworten auf praktische Fragen transsexueller Menschen.
Suche ich nun nach speziellen Themen, stellt mich das ebenso wenig zufrieden:
- Praxisorientierte Informationen gibt es eine ganze Menge. Auf der Suche etwa nach Selbsthilfegruppen, medizinischen Vorgehensweisen, Schminktipps und Ausgehmöglichkeiten werde ich fündig. Ok.
- Wenn ich mich mit den Hintergründen von Transgender beschäftigen will (eben das, was ich hier in den Kategorien Standpunkte sowie Geist & Seele einordne), wird die Luft gleich viel dünner. Ebenso, wenn ich mich für Reflexionen zum Thema Transgender interessiere und mich nicht mit den üblichen Argumentationen abspeisen lassen möchte.
- Forschungsergebnisse (nicht solche, wie sie in BILD »zitiert« werden) oder neuere Entwicklungen in der Transgenderwelt sind fast nicht überhaupt nicht aufzutreiben.
- Die Liste lässt sich fortsetzen…
Natürlich ist nicht alles nur schlecht, neben den genannten Ärgernissen gibt es zum Glück Ausnahmen, einige wenige ambitioniertere und sorgfältiger betriebene Webseiten, die angenehm herausragen. Auf den Link-Seiten (dort v. a. die privaten Homepages) wirst Du einige von ihnen ausfindig machen können.
Und was nun?
Mein Fazit ist nicht besonders gut. Immerhin gibt es im deutschsprachigen Web einige gute Seiten, aber das Verhältnis zwischen guten und schlechten Seiten (in Anbetracht der Weiterentwicklung des Web) hat sich in den letzten 5–6 Jahren ungünstig entwickelt. Sicher steckt hinter den Webseiten oft eine gute Absicht, und allein ihre große Menge hat geholfen, ein Bewusstsein zu entwickeln, dass »wir« zahlreich sind und uns Gehör verschaffen können. Nachdem wir uns dessen klar geworden sind, ist es nun Zeit, weiterzuarbeiten. Lücken können geschlossen werden, und etwas mehr Qualität würde vielen Besuchern und Interessierten entgegenkommen. Gern biete ich meine Hilfe an.
Update 2006
Es sieht mittlerweile besser aus :-)
Seite angelegt am 20.08.2004, zuletzt geändert am 23.11.2006.