Gelesen und gesehen – Januar 1997

Hoppla, das Fernseh-Jahr hat aber gut angefangen – so könnte man diesen kleinen Bericht anfangen, wenn man einfach die verschiedenen Sendungen zusammenzählt, welche Travestie-Künstler und TV’s auf die Mattscheibe brachten. SAT1 hatte schon vorher in ganzseitigen Anzeigen verkündigt: in jedem Mann steckt eine Tante. Tatsächlich wurde zu dem altbekannten Titel »Charley’s Tante« eine neue Version gezeigt. Dann folgte PRO 7 mit Arabellas Talkshow zum Thema »Tunten, Transen, Travestie«. Und am gleichen Abend begann die erste deutsche Fernseh-Serie »Ein Mann steht seine Frau«, in der ein bekannter Schauspieler als Chefsekretärin auftaucht und dabei keine schlechte Figur macht.

Da der geneigte Leser vermutlich einige dieser Sendungen selber erlebte, brauchen wir keine Wiedergabe der Inhalte, jedoch einige nachdenkliche Bemerkungen. Warum diese dramatisch etwas dünne Geschichte von der Tante des Charley schon derart häufig in Szene gesetzt wurde, kann man kaum richtig erklären. In Deutschland wurde sie bereits 1955 verfilmt, später mit Peter Alexander, und nun wurde Thomas Heinze in diese Rockrolle gesteckt. Außer den Pluspunkten für das rote Kleid in der Tanzszene gibt es sonst wenig zu bemerken.

Interessanter ist denn schon der andere Filmversuch. Er wurde in der Voranzeige als »Familienserie« proklamiert, und wird uns in insgesamt 6 Folgen angeboten (jeweils am Freitag, 21 Uhr). Sehr originell ist die Konzeption nicht, sie folgt eigentlich der Story der aus Amerika als »Mrs. Doubtfire« zu uns kam. Das Grundmodell: ein Mann verliert seine Stellung – nichts will klappen – eigentlich zufällig probiert er’s in Frauenkleidern – schon erhält er die Stelle und der Verdienst ist gesichert. Das erlebt auch schon Helmut Zierl, der sich mit Hilfe einer Perücke, Brille und Damenkostüm zur Chefsekretärin wandelt. Das Erscheinungsbild ist angenehm, man soll Hilfe bei US-Profis gesucht haben. In der ersten Folge gab es nur wenige Kleidermodelle zu sehen, abwarten, was da auf uns zukommt.

Abwarten brauchen wir nicht, was Arabella zu diesem Thema bringt, die Sendung lief bereits. Hans Meiser hatte darüber eine Show, Ilona Christen folgte, nun brachte Arabella zu »Tunten, Transen und Travestie« eine sehr gut aufgelegte Truppe vor die Kameras. Zwar wurden die genannten Begriffe nicht geklärt, dafür erhielt man einen guten Einblick in das Berufsleben einiger Travestiekünstler aus München. Besonders Mandy kam mit einem furiosen Start in die Sendung, und wirkte auch später sehr angenehm »natürlich« und wenig affektiert. Das konnte man von einigen anderen nicht sagen. Bis zum Schluss blieb es interessant: Da kam Yvonne, die als echter Transvestit wie eine nett gekleidete ältere Dame wirkte, und sich deutlich von einigem zuviel Glamour abhob. Auch war Manuela (Frankfurt) dabei, die seit vielen Jahren als (biologische) Frau eine echte Freundin vieler Travestie-Stars ist, und mit Verständnis die Szene begleitet. Arabella, das war ein gelungenes Programm.

Im Bücherregal stehen zwei neue Taschenbücher. Von Lilo Wanders »Tja, meine Lieben« (Econ Verlag, 1996, 175 S.). Der Untertitel verspricht zuviel: Eine Diva plaudert sich um Kopf und Kragen! Überhaupt: mit dem nett aufgemachten Text weiß man nicht so recht etwas anzufangen. Für Insider ist er zu »dünn«, man erfährt kaum etwas darüber, wie der erfolgreiche Schauspieler von Schmidts Revue sich zu der blonden Moderatorin verwandelt hat. Daran ändert auch die originelle Idee nichts, eine Lilo-Wanders-Puppe zum Ausschneiden beizulegen.

Aus der amerikanischen Szene stammt »Drag Queen – Gemischtes Doppel«, von Robert Rodi (Gmünder Verlag, 1996, 265 S.). Da geht es um eine recht nette Story von dem einen Zwillingsbruder, der sich zu einer kompletten Drag Queen gemausert hat, sich von der Familie abkoppelte, vom anderen Bruder mühsam gefunden wird, dieser sich erst nach und nach in dieses seltsame Leben einfühlt und zum Schluss auf der Bühne den Bruder kurz nachahmt. Beurteilung: Bettlektüre zur Unterhaltung. – Übrigens: man hört, am 1. Februar sei »Fummelball« in Berlin. Alles Gute!

So long für diesmal.

Rita/Bremen

abgetippert von Claudia


Seite angelegt am 21.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.