Gelesen und gesehen – August 1994

»Ist die Männlichkeit in Gefahr« – mit dieser aufregenden Frage einer billigen Tageszeitung wollen wir unsere Umschau einleiten. Wissenschaftler sollen festgestellt haben, daß die zunehmende Verwendung künstlicher Östrogene in den letzten Jahren zu verblüffenden Resultaten in der Umwelt geführt zu haben scheint. Östrogene, die in Form der Pille von Frauen eingenommen werden, geraten auf Umwegen über Abwasser, Kläranlagen, Trinkwasser etc. in verstärktem Maße auch in den Nahrungskreislauf. Die Ergebnisse erster Untersuchungen lauten: »Insgesamt zeigt sich eine schleichende Verweiblichung der Natur« (so Mr. Sharpe/Edinburgh).

Fischmännchen in mehreren Gewässern hätten schon weibliche Eigenschaften entwickelt. Schaufelstöre in Missisippi pflanzen sich nicht mehr fort wegen der hohen Chemiekonzentration, und auch bei Menschen deuten sich verstärkt ähnliche Probleme an. Jedes fünfte Paar bleibt heute schon ungewollt ohne Kinder wegen Potenzstörungen. Vielleicht regt das manche unserer Leser/innen nicht so sehr auf! Und die M-zu-F-Ts wußten natürlich schon seit Jahren, daß sie bei der Chemie Hilfestellung für ihre Umwandlung erfahren konnten. Vielleicht kann man in Zukunft einfacher verfahren und abwarten, bis genügend Östrogen-Reste in unserer Nahrung sind und die die Umwandlung dann sowieso auslösen…?

Weniger dramatisch, dafür um so fröhlicher soll es in zwei neuen Filmen zugehen, die in diesen Tagen in den USA fertiggestellt werden. In einem wird Mr. Schwarzenegger – bekannt als Action-Macho in früheren Streifen – als erster Mann der Welt im neuen Knüller »Junior« werden und aufgrund wissenschaftlicher Experimente schwanger werden. Als Vater taucht sein Partner Danny DeVito auf. Sehr origenell ist die Idee nicht, warten wir den Film ab. – Interessanter klingt die Story, nach der man drei amerikanischen Schauspielern je eine »drag queen« als Beraterin zugeordnet hat, damit sie ihnen für den neuen Film (An Wong Foo – Dank für alles) beibringt, wie man auf hohen Damen-Pumps gut schreiten kann und in chicen Abendkleidern dahinschwebt. Es soll um drei Crossdresser gehen, die quer durch die USA reisen müssen, um an einem Schönheitswettbewerb in Los Angeles teilzunehmen. Die Stars: Patrick Swayze, Wesley Snipes und John Leguizamo – alles klingt vielversprechend, mal sehen, wie es dann in unseren Kinos aussieht.

Schon vor einiger Zeit entdeckten wir auf unseren Plakatwänden den schwarzen Sprinter Carl Lewis in tollem Body-Suit und roten Pumps. Heute ist nachzutragen: für diese Werbekampagne erhielt er von den Pirelli-Leuten 1 Million DM. Nicht ganz so viel haben sicherlich die fünf Fallschirmspringer erhalten, die sich in Satinkleid und schwarzen Perücken einen interessanten Test unterzogen. Im Freiflug testeten sie in den USA die Güte dieser besonderen Perückenmarke. Vielleicht bildet sich hier eine Marktlücke für engagierte TV’s aus? Darf man schüchtern darauf hoffen, daß sich auch bei uns einige Werbeleute solche Gags einfallen lassen und vielleicht einige von uns in Zukunft so ihr Brot verdienen können…?

Ein neues Thema: in den USA begegnet man immer weniger dem Begriff »TV«, dafür wird immer häufiger von »Transgender«-Leuten gesprochen. Manchmal sind Worte nur Schall und Rauch… manchmal setzen sich aber neue Begriffe fest und dann müßten wir wissen: soll es so auch im deutschen Sprachbereich sein? Beim großen Stonewall-Marsch in New York konnte man jedenfalls nur noch diese Bezeichnung auf den Plakaten entdecken.

Zum Schluß eine neue Buchanzeige: 1994 im Schweizer Verlagshaus erschienen: »Rosalin – eine Frau geboren im OP« (194 S. DM 24,80). Autobiografischer Bericht, in dem Rosalin genau das schildert, was auch der Titel verspricht, allerdings erst ab Seite 115. Zuvor viele Erlebnisse und Enttäuschungen homosexueller (lesbischer ?) Art. Ehrlich geschildert und mit klaren Angaben einer Entwicklung im Schweizer Umkreis. Kontakt zu irgendwelchen TV/TS-Gruppen hatte Rosalin offenbar nicht. Zitat: »Mein Leben ist viel ruhiger geworden. Ich lebe heute in meinem eigenen Haus. ich habe mein Ziel erreicht – das macht mich glücklich und stolz«.

Auch ich habe das Ziel erreicht, Sie, lieber Leser, zu informieren.

Rita/Bremen


Seite angelegt am 20.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.