Gelesen und gesehen – Januar 1992

Die Welt wird immer kleiner. Amerikanische Fernseh- und andere Produkte umgeben uns in allen Lebensbereichen. Aber seltsam – für alle, die an TV- und TS-Literatur Interesse haben, gibt es kaum Übersetzungen aus dem reichen Angebot in englischer Sprache auf unserem Büchermarkt. Zwar findet man in bestimmten Geschäften verschiedene Magazine, die zum Teil für unseren Leserkreis bestimmt sind, doch sachliche und hilfreiche Bücher bleiben die Ausnahme.

Daher machen wir besonders gerne auf ein Taschenbuch aufmerksam, welches 1991 im Kreuz-Verlag Zürich erschienen ist und den Untertitel trägt: »Alles über Transsexualität«. Damit haben die Autoren Barbara Kamprad und Waltraud Schiffels sicherlich zuviel versprochen. Doch der eigentliche Buchtitel »Im falschen Körper« weist genau darauf hin, was durch verschiedene Betroffene und Fachleute zu diesem Thema gesagt werden kann. Interessant ist, daß dabei Frau Dr. Schiffels in mehrfacher Weise zur Sprache kommt: einmal in ihrer eigenen Darstellung (Protokoll einer Bewußtseinsänderung, aber auch aus der Sicht eines früheren Klassenkameraden (von Walter zu Waltraud)). Weiter werden die Stimmen von Psychoanalytikern (z. B. Pfäfflin) vorgestellt, neben sachlichen, medizinischen und juristischen Informationen. Auf nur 240 Seiten eine beachtliche Zusammenfassung für den persönlich Interessierten, sowie für den interessierten Beobachter – daher sehr empfehlenswert.

Das kann auch von einem Film gesagt werden, der in den vergangenen Wochen in Kinos von Hamburg bis München zu sehen war, selbst wenn er im üblichen Sinne keinen Kassenerfolg in Deutschland war: »Paris is burning«. Dabei hat er eigentlich nichts mit Paris zu tun, dafür alles mit Harlem und den Tuntenbällen der Schwarzen in diesem Stadtteil von New York. J. Livingston hat 1990 diesen Dokumentarfilm gedreht, der einen faszinierenden Einblick in die schwarze Subkultur dieser amerikanischen Weltstadt erlaubt. Er schildert aus der Sicht der Beteiligten verschiedene Bälle von »Gay People«, die sich in Wettbewerben immer neue Tanzformen erschaffen, und z. T. in großer Kostümvielfalt ihre Rivalen auszustechen versuchen.

Hinter dem Glitzer der TV-Stars wird aber auch die schreiende Armut deutlich, in der viele von ihnen ihren Alltag ausleben, und die wohl der stärkste Ansporn dafür ist, eine Nacht im Scheinwerferlicht des Ruhms und der Beachtung durch andere zu stehen. Dabei geben Mode und Fernsehen Vorbilder ab, die man nachzuahmen sucht im Spektakel, welches zugleich Suche nach Liebe und Geborgenheit ist.

Weitere Filme, die interessieren können: Pedro Almodovars »High Heels« (mit zwei guten Travestieszenen aus Spanien) und »Rebeccas Töchter« (politische Aktionen im frühen Amerika«. Genug für diesmal – gelesen und gesehen von

Rita / Bremen


Seite angelegt am 20.11.2004, zuletzt geändert am 01.09.2005.