Ulla Fröhling: Leben zwischen den Geschlechtern, 2003.

vorgestellt von Laura

Bibliographische Angaben

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Die Fakten zum Buch:

Klappentext

Etwa 100000 Menschen in Deutschland sind intersexuell. Manche sehen eindeutig weiblich aus – oft schön wie Models – und haben doch weder Gebärmutter noch Eierstöcke, anderen Mädchen wächst in der Pubertät ein Penis. Bei Jungen hat das Geschlechtsteil mitunter eine so ungewöhnliche Form, daß Medizinier empfehlen, daraus eine Scheide zu konstruieren und das Kind als Mädchen aufwachsen zu lassen – nur drei Möglichkeiten einer Fülle von Formen der Intersexualität, die mit dem vieldiskutierten Roman »Middlesex« von Jeffrey Eugenides nun auch erfolgreich Eingang in die Literatur gefunden hat.

Da die Gesellschaft noch kein drittes Geschlecht zuläßt, treffen Eltern und Chirurgen oft frühzeitig eine Entscheidung. War der Entschluß falsch, kann das für die Betroffenen mit großen persönlichen Dramen verbunden sein.

Ulla Fröhling lernte viele Intersexuelle kennen, die von ihrem Leben, ihren Kämpfen, Konflikten und dem wachsenden Selbstbewußtsein der Intersex-Bewegung berichten. Einige von ihnen sprechen zum ersten Mal über diesen Tabubereich. Interviews mit Medizinern, Sexualwissenschaftlern, Therapeuten, Informationen über Genetik und ein umfangreicher Service-Teil ergänzen dieses erste deutsche Sachbuch zum Thema.

Über die Autorin

Ulla Fröhling, Jahrgang 1945, Studium der Soziologie, Anglistik, Publizistik in Hamburg und Dublin; nach 15 Jahren als Redakteurin, Ressortleiterin und Autorin bei Time-Life, Brigitte und Cosmopolitan arbeitet die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin für ARTE, WDR, NZZ-Folio und die Die Zeit. Ihre Schwerpunkte sind Erinnerungsforschung, Traumatologie und gesellschaftliche Tabus wie Inzest und Langzeitfolgen sexueller Gewalt. Außerdem hat sie sich auch als Autorin ironisch-erotischer Kurzgeschichten einen Namen gemacht.

Kommentar

Dieses erste deutsche Buch über Intersexualität für ein allgemeines Publikum lege ich allen irgendwie Interessierten sehr ans Herz! Ganz unterschiedliche Stimmen kommen mit ihren manchmal erschütternden Geschichten zu Wort: Intersexuelle selbst natürlich, daneben Angehörige, Wissenschaftler, Mediziner, Juristen und andere stellen Fakten und Ansichten aus jeweils ihrer Perspektive vor. Der Autorin Ulla Fröhling ist es hervorragend gelungen, sich allen Menschen warmherzig und zugleich mit angemessener journalistischer Sorgfalt und Distanz zu widmen, ohne dabei in Beliebigkeit zu verfallen.

Großartig, kauft es und lest es!

Stimmen aus dem Buch

»Man bringt uns nicht um, aber man schneidet uns zurecht. Man läßt uns nicht so existieren, wie wir sind.«   Erika Kasal, 34

»Viele halten das jahrelang im Schrank. Ich nicht, bei mir in der Firma weiß jeder: Ich hab einen männlichen Chromosomensatz und keine Eierstöcke. Kinder kann ich nicht kriegen.«   Maria Matthes, 33

»Ich bin ein vollkommener Zwitter. Ich funktioniere als Mann, aber meine Sexualität ist eine andere.«   Ernst Bilke, 45

»Ich hab’ Puzzlesteine vom Jungen, aber ein Mädchen bin ich trotzdem.«   Antje, 3

»Pflege eine Freundschaft mit deinem Körper, sorge dafür, daß du dich in ihm wohlfühlst. Das empfinde ich als eine meiner wichtigsten Lebensaufgaben.«   Luise Weilheim, 38

»Um psychische Komplikationen zu vermeiden, haben wir es für richtig gehalten, die Patientin nicht über ihre wahre Geschlechtszugehörigkeit und ihre Kastration zu unterrichten.«   Aus einem Arztbericht

Inhalt

Vorwort

Intersexuelle – Die Dritten im Bunde  ·  Schwarze Medizin  · Gibt es ein »wahres Geschlecht«?  ·  Sprache: Verständigen, ohne zu verletzen  ·  Ein letztes Tabu?

Erwachsene

Anna Heinrichs: »Ich kann damit leben, aber akzeptieren kann ich es nicht.«

Erika Kasal: »Daß ich plötzlich einen Penis bekam wie ein Junge, fand ich interessant.«

Luise Weilheim: »Weiblichkeit habe ich mir erkämpft.«

Intersexualität – ein Trauma?  ·  Nicht der Intersexuelle ist das Problem, sondern die Gesellschaft  ·  Was ist ein Trauma?  ·  Dr. Luise Reddemann, Traumatherapeutin: »Im Grunde genommen sind es Helden.«

Raina/Rainer Haller: »Von allen Problemen meiner Kindheit war dies das geringste.«

Ernst Bilke: »Schwierigkeiten, meinen Platz zu finden.«

Intersexualität – eine Chance für die Gesellschaft?  ·  Von Transsexualität zu Intersexualität  ·  Prof. Hertha Richter-Appelt, Sexualwissenschaftlerin: »Ein bißchen anders.«  ·  Exkurs 1: Ein genetischer Geheimcode  ·  Exkurs 2: Der Medizin durchs Raster gerutscht

Chris Hausendorf: »Meine Großtante war ein Zwitter, mit 20 hat sie sich aufgehängt.«

Intersexuelle – vergessene Patienten?  ·  Die erlösende Frage  ·  Dr. Ute Thyen, Fachärztin für Kinderheilkunde: »Macht, Geheimhaltung, Sexualität – dem waren die Patienten ausgesetzt.«

Kinder

Sabine Warncke: »Sie weiß bestens über sich Bescheid.«

Intersexualität – eine Frage des (Er-)Messens?  ·  AGS – Das Androgenitale Syndrom  ·  Dr. Jens Commentz, Kinderarzt: »Wenn beide Eltern es vererbt haben, verschwinden die Schuldgefühle.«

Intersexualität – überforderte Eltern?  ·  Unwissende Therapeuten  ·  Dipl.-Psych. Knut Werner-Rosen, Psychotherapeut: »Sexualität steht an der Schnittstelle zwischen Leben, Tod und Ewigkeit.«

Ein mögliches Modell: Patenschaften

Maria Matthes: »Ich habe die Luxusausführung!«

Antje Henningsen: »Ich hab’ Puzzlesteine vom Jungen, aber ein Mädchen bin ich trotzdem.«

Intersexualität – ein rechtloser Zustand?  ·  Gibt es ein drittes Geschlecht?  ·  Dr. Hans-Georg Koch, Jurist: »Der Gesetzgeber wünscht Eindeutigkeit, auch wenn sie falsch ist.«

Nachwort

Anhang

Glossar  ·  Anmerkungen  ·  Verwendete Informationen  ·  Dank  ·  Wichtige Adressen

Weiterführende Informationen

Website zum Buch


Seite angelegt am 08.11.2004, zuletzt geändert am 23.11.2006.