Gedichte von Monika

Laura

Diese wunderbaren Transgender-bezogenen Gedichte von Monika habe ich beim Stöbern im Internet entdeckt, aus ihnen sprechen Schmerz und zugleich eine Reife voller Liebe, die mich sehr anrühren. Leider habe ich keine Möglichkeit gefunden, die Autorin zu erreichen.

Übersicht


An Monika

Wir wandern ineinander, Du und ich
unsere Kleider fast dieselben
zumindest zwischen uns ist Frieden
Du gehst langsamer
siehst durch den Blick der Dich trifft
mich hat noch keiner über einen Zebrastreifen gelassen
Wo fängst Du an? Wo höre ich auf?
Deine Haare auf meinem Gesicht
Deine Füße in meinen Schuhen
meine Füße in Deinen Strümpfen
Wir sind fremd in den Straßen der Einäugigen
Deine Tränen sind meine geworden
lass uns nach Hause gehen, es wird kühl.

Zurück zur Übersicht


Angekommen

Du kommst spät, meine Schwester
Sagt sie
Deine Tochter war schon vor Dir da
Der Herbst beginnt
Aber noch ist die Sonne warm

Erkennst du deinen Baum Monika?
Jetzt steht er in unserem Dorf

Ruh dich erst mal aus
Du warst zu lange unterwegs
Da drüben
Unerkannt
Versteckt
Beladen

Es ist gut
Sagt sie
Dass du nicht allein gereist bist
Von denen
Kommen nicht viele an
Weißt du

Bleibe, sagt sie
Die Erde unter deinen Füßen ist gut
Auch wenn das Gras hier
Nicht grüner ist
Als da drüben

Wenn du vergisst
Woher du kommst
Sagt sie
Dann mußt du zurück
Über den See
Aber Boot
Gibts dann keines mehr
Das wäre schade

Komm rein
Sagt sie
Kannst du mir den Kleinen halten
Dann mach ich Tee
Für Euch

Zurück zur Übersicht


Gestern

war die Nacht kalt für zwei Decken
Ende Mai
die Angst ums Kind
über nicht erinnerten Träumen
fort, schon drüben,
zumindest kein Mann mehr
das wollte ich sein
in Monikas weichem Körper,
zu anderem bestimmt
als meine Kriegsruine

heute hast Du mich an den See geführt
der Regen roch
kein Tropfen durch das Blättermosaik des Nussbaums
das Zeitlupenpendel des vertäuten Boots
schmolz den Rücken
wo sollen die Wunden heilen, wenn nicht bei euch?

Zurück zur Übersicht


Die Glaskugel

Mit der Zeit
ist sie dünn geworden
die gläserne Kugel
in der wir beide leben
seitdem ich denken kann

Meine Hände spüren
sie am besten
beim Tanzen
warm das Glas von der Sonne
oder kühl und glatt

Manchmal habt Ihr
da draußen
euch die Nase plattgedrückt
um reinzusehen
Wir haben uns verkrochen
still wie die Fische
vor Angst

So groß wie ich
meine Haare
meine Augen
meine Jeans
Sieht mir sehr ähnlich
sagen sie
Monika
meine Schwester
die ihr nie gekannt

Wenn ich das Glas
zu eurer Seite
zerbreche
schickt uns nicht zurück
dreht euch nicht um

Hört
nach innen
denn jedes Herz
ist eine Glaskugel
mit zwei Geschwistern drin

Zurück zur Übersicht


Das Gnadenbild

Sie saß
unterm Tisch
klein, müde
nackt und drei

Er hatte
mit dem Leben abgeschlossen
mit sechs
und fraß
den Verputz
von einem Eck
in der Wand

Nur schwer
setzten sie sich zu mir
meine inneren Kinder
konnten einander kaum
die Hände geben

Weit ging es
vorbei an den Gräbern
der Vielen
die ich zu früh
gehen sah

Dann
der Raum
voll Licht

Die himmlische Mutter
kennt keine Buben
keine Mädchen
keine Namen
nur Ihre Kinder

Zurück zur Übersicht


Die Ikone

Unter den Trümmern meiner Liebe
unter dem Schwarz dürrer Federstriche
unter den Ruinen meines Rückens
überschwemmt von den Dammbrüchen meines Vaters
unter dem Staub der zerbombten Stadt
der durch Stacheldraht zu mir herüberweht
in einem Keller verschüttet
glüht ein Bild
vom Anfang
von Liebe
von Einheit
unversehrt vom Bombenhagel
hab es ausgegraben
halt es fest
dank Dir Mutter für mein Leben
zwischen den Trümmern frisches Gras
wenn ich wiederkehre
wird der Ort schon als romantisch gelten

Zurück zur Übersicht


Sommer

Seitdem Du
bei der Türe herein bist
zurück
plötzlich ohne den schwarzen Schatten
auf deiner Brust
kann ich atmen
und sehn
dass du lachst
und glauben
was ich nicht glauben konnte
dass Du mich liebst
egal was ich bin
und was mit mir wird

Heute abend
weine ich
mit Dir
um den
der Dich nur als Schmerz begleiten durfte
seh Ihn spielen im Gras
auf einer Sommerwiese
in sich versunken
klein
zufrieden
zwischen den Blumen

Zurück zur Übersicht


Wenn

Wenn sie wüssten
Denke ich oft
Wenn ich mit ihnen am Tisch sitze
Und ihr vieles Essen esse
Wenn sie wirklich von mir wüssten
Würde ich dann auch
Hier sitzen
Und soviel Suppe kriegen

Und weil sie nicht wissen
Ist es so schwer
Mit Ihnen zu essen
Ins Kino zu gehn
Und der Wirtshausdiskussion zu folgen
Es macht mich müde

Würde sich was ändern
Oder erschlägt uns
Nach einem kurzen
Lauwarmen Strohfeuer von
Fast echtem Verständnis
Der Alltag
Rhythmisch
Dunkel
Wichtig
Wie er schon ist

Wenn sie wüssten
Wüssten sie
Wieder nichts
Von mir

Zurück zur Übersicht


Wir alle

Wir alle
wissen nicht
woher wir kommen

Wir alle
wissen nicht
wohin wir gehn

Was uns bleibt
ist das Wissen
dass die Liebe
die wir gegeben
nie umsonst war

Zurück zur Übersicht



Leider habe ich die Autorin Monika nicht erreichen können, so dass ich sie hier ohne ihre ausdrückliche Zustimmung veröffentliche. Falls jemand den Kontakt herstellen kann oder du, Monika, selber auf diese Seite stößt, würde ich mich sehr über eine Nachricht freuen.

Seite angelegt am 07.06.2005, zuletzt geändert am 23.11.2006.